Das ist doch nur ein Pilz – oder? Mykotherapie – Vitalpilze & Heilpilze

08. September 2023 — von Linn Masch  

Pilze sind euch mitunter gut als pathogene Mikroorganismen bekannt. Aber sind sie auch in der Lage, Gutes für eure Patienten zu tun? Spoiler: ja, teilweise! Nicht alle Heilpilze sind gleich, und ihre Wirksamkeit kann von Pilz zu Pilz variieren. Während einige Heilpilze umfangreiche Forschungsergebnisse zur Unterstützung ihrer gesundheitlichen Vorteile aufweisen, gibt es andere, bei denen die wissenschaftliche Evidenz begrenzt ist oder fehlt. Aber von vorne …

Was sind Vitalpilze und Heilpilze?

In den traditionellen Heilsystemen werden zahlreiche Pilze bereits seit Jahrhunderten zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt. Sie werden durch ihre medizinischen und gesundheitsfördernden Eigenschaften als sogenannte Vital- oder Heilpilze bezeichnet. Zu den angewandten Arten zählen beispielsweise Shiitake, Reishi, Mandelpilze oder die Schmetterlingstramete. Diese dienen als Nahrung und finden Anwendung in der Medizin.

Vital- und Heilpilze – was steckt drin?

Pilze bestehen aus Polysacchariden, Proteinen, Fettsäuren und sind reich an Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen. Die bioaktiven Verbindungen der Pilze sind Polysaccharide, Triterpene, Steroide und Flavonoide. Entscheidend für Pilze ist der Aufbau der Zellwand und dieser hat im Vergleich zu anderen Organismen wie Pflanzen und Bakterien eine einzigartige Struktur. Die Zellwand besteht aus mehreren Schichten mit unterschiedlichen Funktionen. Glucane sind eine Gruppe von Polysacchariden, zu denen unter anderem Cellulose und Chitin zählen und die Hauptkomponenten der Pilzstruktur ausmachen. Eingeteilt werden Glucane in alpha- und beta-Glucane, abhängig von der Lage der glykosidischen Bindung zwischen den Molekülen.

Was bringen Beta-Glucane?

Beta-Glucane besitzen viele potenzielle gesundheitliche Vorteile, dazu zählen unter anderem folgenden Effekte:

  • Immunstimulation
  • antiinflammatorischen Effekt
  • Aktivierung von Antioxidantien
  • Senkung des Cholesterinspiegels
  • Förderung der Insulinsekretion

Die immunstimulierende Wirkung der Beta-Glucane wird durch die Aktivierung von Makrophagen, natürliche Killerzellen sowie T-Zellen erreicht. Zusätzlich kann die Freisetzung von Entzündungsmediatoren inhibiert werden und somit ein antiinflammatorischer Effekt erreicht werden. Indem sie das Immunsystem stimulieren und Tumorzellen erkennen und beseitigen, können sie einen antitumoralen Effekt aufweisen. Dazu können Beta-Glucane die Produktion von Antioxidantien, wie beispielsweise Glutathion, erhöhen, sodass einer Entzündung entgegengewirkt werden kann. Durch die verminderte Aufnahme von Cholesterin im Darm und die erhöhte Ausscheidung von Cholesterin über den Kotabsatz können Beta-Glucane den Cholesterinspiegel senken. Des Weiteren kann es die Regulierung des Blutzuckerspiegels beeinflussen. Die Glucoseresorption im Darm kann verzögert ablaufen und die Insulinsekretion kann gefördert werden. Somit können Beta-Glucane vorbeugend gegen pathogene Bakterien, Parasiten und Viren wirksam sein. Phenole, aromatische Verbindungen, zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen der Pilze. Sie dienen als Radikalfänger, Blutdruckregulierer sowie Entzündungshemmer. Weitere sekundäre Pflanzenstoffe wie die Di- und Triterpene, die der Gruppe der Terpene angehören, besitzen Effekte auf den Organismus. Diese können das Wachstum und die Differenzierung von Epithelzellen beeinflussen. Des Weiteren sind Diterpene in der Lage, den Transkriptionsfaktor NF-KB zu inhibieren und somit antiinflammatorisch zu wirken. Bei einer regelmäßigen Aufnahme von potentiell wirksamen Pilzen können neurodegenerative Erkrankungen vorgebeugt werden.

Lentinula edodes – Shiitake

Der Shiitakepilz gehört zu den Heilpilzen, die eine solide wissenschaftliche Grundlage für ihre gesundheitlichen Vorteile haben. Er besticht durch seine guten Einsatzmöglichkeiten und sein breites Wirkspektrum. Er wird in der traditionellen Medizin vor allem bei Erkrankungen, wie beispielsweise Erkältungen, grippalen Infekten und Immunschwäche eingesetzt. Darüber hinaus wird ihm die Fähigkeit zugesprochen, Arteriosklerose vorzubeugen, indem er die Arterienwände stärkt und den Cholesterinspiegel reguliert. Ein zusätzlich pharmakologisch wirksamer Bestandteil im Shiitake-Pilz ist das Eritadenin. Es beschleunigt die Umwandlung von LDL- zu HDL-Cholesterin, sodass Cholesterin im Blut reduziert wird. Des Weiteren ist im Shiitake Lentinan vorhanden, ein Polysaccharid, dem ein positiver Effekt in der unterstützenden Tumorbehandlung und Hemmung von Tumoren zugesprochen wird. Shiitake-Pilze enthalten weitere Vitamine und Mineralstoffe, wie das Vitamin D zur Förderung des Calciumstoffwechsels, Ergosterin, B-Vitamine, Kalium und Zink.

Agaricus blazei murrill – Mandelpilz

Der Agaricus blazei murrill, auch Mandelpilz genannt, zählt zur Familie der Champignons und stammt aus Brasilien. Diese Pilzart ist vor allem durch ihren hohen Gehalt an Beta-Glucanen gekennzeichnet und folglich trägt er zur Stärkung des Immunsystems bei. Die Anwendungsgebiete dieses Pilzes reichen von der Behandlung von chronischen Entzündungen über Allergien bis hin zu Autoimmunerkrankungen. Darüber hinaus enthält der Agaricus blazei murrill Ergosterol, auch Ergosterin genannt. Dieses Molekül ist eine Vorstufe des Vitamin D und kann mit Hilfe von UV-Strahlen zu Vitamin D umgewandelt werden. Damit stehen dem Organismus vermehrt Vitamin D und dessen Vorteile zur Verfügung.

Coriolus versicolor – Schmetteringstramete

Coriolus versicolor ist reich an Beta-Glucanen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Er kann, wie andere Vital- und Heilpilze, als natürliches Mittel bei entzündlichen Prozessen aller Art zum Einsatz kommen. Zudem wurden aus ihm zwei wirkungsgebende Proteoglykane identifiziert. Das Polysaccharid K, auch Krestin genannt, und der Polysaccharid Protein Komplex. Diese werden in Teilen der Welt zur Tumortherapie eingesetzt und zeichnen sich besonders durch ihre Wirkung ohne auftretende Nebenwirkungen, wie bei der konventionellen Therapie aus. Beide Verbindungen besitzen zudem einen antibakteriellen Effekt und fördern das Immunsystem.

Einsatzmöglichkeiten

Die breite Einsatzfähigkeit und die immunstimulierende Wirkung der Vital- und Heilpilze machen sie zu einem idealen Therapiebegleiter in der Behandlung euer Patienten. Fast unsichtbare Helfer für die Arbeit in eurer Praxis. Ihr könnt Pilze unter anderem einsetzen für:

  • Immunaktivierung
  • Unterstützend bei Infektionen
  • Tumor- und Entzündungshemmung
  • Diabetes und Blutzuckerregulation
  • Herz- und Kreislaufschutz, Hypertonie
  • Schutz der Leber- und Nierenfunktion
  • Hautgesundheit
  • Neuroprotektion, Gedächtnisleistung
  • Schmerzen
  • Osteoporose
  • Unterstützend bei Allergien

Dennoch ist die wissenschaftliche Evidenz je nach Art des Heilpilzes begrenzt oder umstritten. Was nicht bedeutet, dass sie keine potenziellen Vorteile haben können. Es zeigt einfach, dass mehr Forschung erforderlich ist, um ihre Wirkungen, Sicherheit und beste Anwendungsmöglichkeiten besser zu verstehen. Also … die Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben und es bleibt noch Raum für weitere Entdeckungen und Erkenntnisse.