»Ring, Ring« – Mein Hund hat Durchfall, muss ich in die Praxis?

03. November 2022 — von Ramona Koppensteiner

Eine Situation, die fast allen Tierärzt*innen bekannt ist: regelmäßig ereilen uns Anrufe von Patientenbesitzer*innen: »Mein Hund hat Durchfall. Muss ich in die Praxis kommen oder kann ich abwarten?« Eine gute Frage, weitere Informationen über den Allgemeinzustand und die Beschaffenheit des Kots wären hilfreich. Den Besitzer*innen ist oft nicht bewusst, wie schwierig eine solche Einschätzung ohne weitere Informationen über das Telefon für uns Tierärzt*innen sein kann. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn wegen einer akuten Diarrhoe aufgrund einer plötzlichen Futterumstellung möchte man keinen Hund in den Notdienst bestellen. Andererseits könnte es sich hierbei auch um eine hämorrhagische Diarrhoe handeln, mit der äußerst ansteckenden Differenzialdiagnose Parvovirose.

Fragen an den/die Patientenbesitzer*in

Für Besitzer*innen ist es beunruhigend, wenn mit ihrem Hund etwas nicht stimmt. Umso schwerer ist es, wenn sie keine Ahnung haben, wie sie ihrem Hund helfen können. Es ist wichtig, auf die Besitzer*innen einzugehen, ihnen Ängste zu nehmen und so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Je mehr Informationen wir als Tierärzt*innen erhalten, desto leichter können wir einen Notfall erkennen und weitere Schritte einleiten.

  1. Wie ist der Allgemeinzustand des Hundes?
  2. Wie ist die Konsistenz, Farbe und der Geruch des Kots?
  3. Hat ihr Hund beim Spaziergang oder zu Hause etwas aufgenommen? (Giftpflanzen, Giftköder, Fremdkörper, Medikamente,...)
  4. Wie alt ist der Hund?
  5. Frisst und trinkt Ihr Hund?
  6. Haben Sie das Futter umgestellt?
  7. Wie lange hat der Hund bereits Durchfall?
  8. Wie ist die Kot-Absatz-Frequenz?
  9. Waren Sie mit dem Hund im Ausland? Wenn ja, wann und wo?
  10. Wann war die letzte Parasitenbehandlung?

Anhand der Informationen, die wir von Besitzer*innen erhalten, wird der Patient priorisiert. Hunde mit verschlechtertem Allgemeinbefinden, hochgradiger Diarrhoe, hämorrhagischer Diarrhoe, eventuellen Auslandsaufenthalten sowie Welpen und Senioren sollten immer gleich in die Praxis bestellt werden. Starker Durchfall kann vor allem bei Welpen und Senioren schnell zu einer Dehydrierung führen. Werden die Besitzer*innen in die Praxis bestellt, ist es hilfreich, wenn sie eine Kotprobe mitbringen.

Durchfall – Auslöser beim Hund

Durchfall ist ein häufig anzutreffendes Symptom einer Magen-Darm-Erkrankung mit unterschiedlicher Genese. Wird ein Hund mit Diarrhoe vorstellig, kommen zahlreiche Ursachen in Betracht. Grundsätzlich erfolgt die Einteilung anhand der Lokalisation und Dauer der Symptome. Betrifft es primär den Dünndarm oder den Dickdarm? Handelt es sich um einen akuten oder chronischen Verlauf? Bei einer Dünndarmerkrankung kommt es zu einer Maldigestion/Malabsorption. Dadurch kommt es in weiterer Folge zu einer erhöhten Nährstoffanflutung im Dickdarm. Eine große Menge an Kot wird ausgeschieden und es kommt zu einem deutlichen Gewichtsverlust. Bei einer Colitis (Enddarmentzündung) kommt es durch die gereizte Darmschleimhaut zu ungenügenden Chymuseindickungen. Eine eher kleine Menge an Kot (frequenter Absatz) wird ausgeschieden, meist mit Schleimbeimengungen, der Patient zeigt kaum Einbußen im Ernährungszustand. Eine akute Diarrhoe tritt beispielsweise bei einer Virusinfektion auf, eine chronische entwickelt sich bei einer Futtermittelunverträglichkeit über längere Zeit. Blutige Diarrhoe ist immer ein Warnzeichen. Hellrotes Blut weist auf eine Blutung im Dickdarm hin, während dunkles Blut auf eine Blutung im Dünndarm hinweist. Kommt es zu einer Blutung, gerinnt das Blut im Dünndarm, bevor es mit dem Kot ausgeschieden wird. Dadurch erscheint der Kot dunkel bis schwarz gefärbt.

Mögliche Ursachen für Durchfall

  • Plötzliche Futtermittelumstellung
  • Futtermittelunverträglichkeit
  • Trinken von Meerwasser
  • Parasitenbefall
  • Vergiftungen
  • Stress
  • Pankreasinsuffizienz
  • Cusching-Syndrom
  • Tumore im Gastro- Intestinal- Trakt
  • Fremdkörper
  • Virusinfektion (Parvoviren, Staupeviren, Coronaviren, Rotaviren..)
  • Intestinale Dysbiose (Clostridien, Laktatbildner…)

Die Aufklärung der Besitzer*innen ist das A & O

Fast jeder Hund wird im Laufe seines Lebens wiederholt unter Verdauungsstörungen leiden. Um die häufigen Anrufe in der Praxis zu minimieren, ist es hilfreich, Besitzer*innen in dieser Hinsicht genauer aufzuklären. Sind sie mit den wichtigsten Anzeichen einer akut verlaufenden Durchfallerkrankung vertraut, können sie die Checkliste in Ruhe durchgehen, bevor zum Telefon gegriffen wird.

Durchfall-Checkliste für Tierbesitzer*innen:

Ein Tierarztbesuch ist für Ihren Hund sinnvoll, wenn eines oder mehrere Symptome zutreffend sind.

  • Fieber (über 39°C)
  • Frisst oder trinkt nicht mehr
  • Apathisch
  • Welpen oder Senioren
  • Nach der Aufnahme von Fremdkörpern oder giftigen Substanzen
  • Blutiger Durchfall
  • Trotz Schonkost anhaltender Durchfall

Diätetische Behandlung von Durchfallerkrankungen

Die diätetischen Maßnahmen bei Hunden mit Durchfällen sind heutzutage von großer Bedeutung. Hierzu zählt der Einsatz kommerzieller Diätfuttermittel, insbesondere wenn es bereits zu einer klinischen Manifestation gekommen ist. Bei der Indikationsabhängigen Diätetik handelt es sich um eine Mischfutter Rezeptur. Sie enthält Ergänzungen einzelner Nährstoffe und Enzyme, welche beispielsweise bei einer Pankreasinsuffizienz zum Einsatz kommen. Erweitert wird das Spektrum diätetischer Mittel durch Nahrungsergänzungen mit probiotischen Bakterienkulturen. Probiotika sind Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten. So sollen sich beispielsweise Lactatbildner gesundheitsfördernd auf den Gastrointestinaltrakt auswirken.

Fütterungsabhängige Verdauungsstörungen:

  • Intoleranz (unspezifische Reaktion z.B. auf verdorbene Futtermittel oder Toxine) – Futterwechsel
  • Intestinale Dysbiose – kurzfristiger Futterentzug (24 h) danach Schonkost
  • Allergie – hypoallergene Diät (Proteinhydrolysate), Eliminationsdiät (mind. sechs Wochen ausschließlich ein Protein)

Fütterungsunabhängige Verdauungsstörungen:

  • Neoplasien, hormonelle Dysregulation, nervale/zentrale Störungen – Grundleiden behandeln/Schonkost
  • Pankreasinsuffizienz – Pankreasdiät, Enzymsubstitution, “vorverdaute Nahrung”