Kortison: Ein Superheld im Tierkörper

28. August 2023 — von Linn Masch  

Wie ein Dirigent in einem Symphonieorchester regelt Kortison den Energiestoffwechsel, indem es den Proteinabbau beschleunigt und somit die Energiereserven für die anspruchsvollen Aufgaben des Tiertags mobilisiert. Auch die Balancierung des Wasser- und Elektrolythaushalts sowie die Kontrolle der Zellteilung und Immunreaktionen fallen in seinen Aufgabenbereich. Trotzdem werden dem Kortison häufig auch schlechte Faktoren zugesprochen. Worauf dies beruht und welche Alternativen es zum Kortison gibt, erfahrt ihr hier.

Kortison – was ist das?

Kortison (Cortison) zählt zu den Steroidhormonen – der Gruppe der Glukokortikoide und ist somit ein körpereigenes Hormon, das in der Nebennierenrinde synthetisiert wird. Es ist ein Oxidationsprodukt des Cortisols und ist in den Alltagsaufgaben des Körpers unersetzlich und erstaunlich vielseitig.

Dazu zählt unter anderem der Energiestoffwechsel, in dem der Abbau von Eiweiß beschleunigt und somit Energiereserven mobilisiert werden kann. So kommt es zu einem gesteigerten Blutzuckerspiegel und zur Fettfreisetzung. Kortison kann zudem den Wasser- und Elektrolythaushalt beeinflussen und wird inhibitorisch auf die Zellteilung sowie auf immunologische und allergische Prozesse im Organismus.
Gezielt beeinflusst Cortison das Glukokortikoid-induzierte-Leucin-Zipper Protein, kurz GILZ. Glukokortikoide können positiv auf die Transkription dieser Proteine wirken und dadurch ein erhöhtes Vorkommen dieser Proteinen bewirken. Die Leucin-Zipper bilden eine Klasse von Proteinen, die an eine spezifische Stelle der DNA binden und die Transkription regulieren. Kortison wirkt auf verschiedenen Ebenen antiinflammatorisch.

Vorteile von Kortison

Die Vorteile sind vor allem der schnelle Wirkungseintritt sowie das breite Wirkungsspektrum. Es besticht durch die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten. Es kann lokal bei Entzündungen der Haut und systemisch beispielsweise bei Lungenerkrankungen eingesetzt werden.

Nachteile von Kortison

Aber wie jeder Superheld hat auch Kortison seine Kryptonit: Eine länger andauernde Kortisongabe kann zu systemischen Nebenwirkungen führen. Dabei sind die individuellen Eigenschaften der Patienten, die Länge der Anwendung sowie die verabreichte Kortisonmenge entscheidend. Bei einer kurzzeitigen Kortisongabe können seltener Nebenwirkungen in Form von Nervosität und Schwindel auftreten. Durch die Auswirkung des Kortisons auf zahlreiche Stoffwechselvorgänge, können durch eine langfristige systemische Gabe Nebenwirkungen auftreten.

Mögliche Nebenwirkungen einer systemischen Kortisongabe:

  • schwaches Immunsystem → erhöhte Infektanfälligkeit
  • erhöhtes Diabetes-Risiko
  • Hypertonie
  • Ödeme
  • Erhöhtes Osteoporose-Risiko
  • okuläre Hypertension → erhöhtes Glaukom-Risiko
  • Muskelatrophie

Diese pathologischen Veränderungen können häufig durch eine Dosisreduktion oder eine alternative Therapie vermindert oder umgangen werden. Um diese Erkrankungen zu vermeiden, sollte Kortison, der Erkrankungen entsprechend, kurzfristig in ausreichender Menge, langfristig niedrig dosiert und dann ausschleichend verabreicht werden.

Phytotherapeutische Alternativen: Weihrauch und Kurkuma

Zum Glück gibt es Alternativen, die Tierärzt*innen dabei unterstützen können, die Nebenwirkungen von Kortison zu minimieren oder zu umgehen.

Weihrauch

Der Weihrauchbaum gehört zu der Gattung Boswellia. Die Harze der Arten Boswellia serrata, carteri und frereana finden Anwendung in der Medizin und bestechen durch ihren Effekt auf Entzündungsreaktionen.

Effektive Inhaltsstoffe im Harz von Boswellia:

  • Monoterpene
  • Diterpene
  • Triterpene
  • Tetrazyklische Triterpensäuren
  • Pentazyklische Triterpensäuren

Zu den vier wichtigsten pentazyklische Triterpensäuren zählen die Beta-Boswellinsäure, Acetyl-beta-Boswellinsäure, 11-Keto-beta-Boswellinsäure und die Acetyl-11-Keto-beta-Boswellinsäure. Diese Bestandteile wirken entzündungshemmend. Vor allem die letzte, die Acetyl-11-Keto-beta-Boswellinsäure, beeinflusst als Inhibitor die 5-Lipooxygenase, welche an der Synthese der Leukotriene beteiligt ist. Ein weiterer Punkt ist die hemmende Wirkung der COX-1 und damit der Einfluss auf die Prostaglandin E2 Synthese. Boswelliasäuren können darüber hinaus durch die Hemmung von Proteasen, im Besonderen vom Cathepsin G, die entzündungsfördernde Aktivität verringern. Die dominierende Wirkung von Weihrauch-Extrakten liegt in der Entzündungshemmung. Entzündungen sind durch die Synthese und Freisetzung von Entzündungsmediatoren, wie Zytokine, Prostaglandine und Leukotriene geprägt. Mit Hilfe des Weihrauchs können diese Vorgänge, ähnlich dem Wirkungsprinzip des Kortison, gehemmt werden. Die Bioverfügbarkeit der wirksamkeitsbestimmenden Boswelliasäuren wird durch die gleichzeitige Aufnahme von Öl deutlich verbessert. Außerdem ist eine ausreichend hohe Dosierung sowie eine nachgewiesene Qualität erforderlich, damit die Effekte des Weihrauchs eintreten können.

Kurkuma

Der Kurkuma (Curcumae longae rhizoma) gehört zur Familie der Ingwergewächse und ist eine bis zu einem Meter hoch wachsende Rhizomstaude. Medizinisch relevant ist vor allem das Rhizom der Kurkumapflanze, welches Curuminoide enthält. Den Großteil der Curuminoide macht der Bestandteil Curcumin (Diferuloymetan) aus, dem folgenden Wirkungen zugeschrieben werden.

Wirkungen der Curuminoiden:

  • antiinflammatorisch
  • antioxidativ
  • antiproliferativ
  • hypoglykämisch
  • lipidsenkend
  • antithrombotisch
  • gerinnungshemmend

Die wirkungsgebende Verbindung im Kurkuma ist das Curcumin. Der Effekt von Curcumin basiert auf der Beeinflussung von mononukleären Zellen wie Makrophagen und der Inhibition verschiedener Signalübertragungen. Curcumin kann, durch die Erhöhung eines Proteins, seine antiinflammatorische Wirkung entfalten. Es beeinflusst, wie das Cortison, gezielt das Protein GILZ -- Glukokortikoid-induzierter Leucin-Zipper. Dieses Protein ist ein antiinflammatorischer Mediator, dessen Effekte auf die Inhibition von mehreren mit Entzündungen einhergehenden Transkriptionsfaktoren in Makrophagen beruhen. Dazu zählen zum Beispiel Transkriptionsfaktoren NF-kB oder das Aktivatorprotein-1. Während einer Entzündung wird GILZ abgebaut und eine erhöhte Immunantwort tritt ein, durch die Erhöhung des vorhandenen GILZ werden diese Abläufe vermindert. Außerdem dient GILZ als negativer Regulator des MAPK-Signalweges, wodurch zahlreiche Signalwege die an einem Entzündungsgeschehen beteiligt sind, wie beispielsweise das Zellwachstum und -differenzierung, reduziert werden. Zusätzlich kann Curcumin die Menge an proinflammatorischen M1-Makrophagen herabsetzen sowie die Zahl an antiinflammatorisch wirkenden M2-Makrophagen erhöhen. Des Weiteren besitzt es einen inhibierenden Effekt unter anderem auf COX-2, Lipoxygenasen, Glutathion-S-Transferase und Stickstoffmonoxid-Synthase und damit eine negative Beeinflussung auf die Expression von Entzündungsmediatoren und proinflammatorischer Zytokine wie Interferone, Tumornekrosefaktor und Interleukin-12. Zudem wurde keine dosislimitierende Toxizität festgestellt, sodass von einer pharmakologischen Sicherheit des Kurkuma ausgegangen werden kann.

Einsatzgebiete von Weihrauch und Kurkuma – entzündliche Geschehen:

  • entzündliche und neurologische Erkrankungen
  • die chronische Polyarthritis
  • Osteoarthritis/Arthrose
  • viraler Infekte
  • Abszesse
  • Kardiovaskulärer Erkrankungen
  • Dermatitis

Weihrauch und Kurkuma stellen bei ausreichender Dosierung und Qualität der Extrakte eine potentielle Alternative zu Glukokortikoiden dar, ohne die unerwünschten Nebenwirkungen des Kortisons.

Obwohl Kortison also ein mächtiger Superheld im Tierkörper ist, sollte sein Einsatz sorgfältig abgewogen werden. Mit der Kombination aus Kortison und seinen natürlichen Alternativen kann das Beste aus beiden Welten genutzt und den Patienten die bestmögliche Versorgung geboten werden.