Das erste Mal - nicht unter 10 Kilo

20. Dezember 2021 — von Mario Lorenz

Daniela Diepold ist Studentin der Tiermedizin, Bloggerin und Social Media-Profi – eine ganz schön coole Kombi! In ihrem Podcast Wuide Goas und dem zugehörigen Blog setzt sie sich mit veterinärmedizinischen Themen auseinander, führt Interviews und klärt auf über den Werdegang, den sie und viele andere Studierende durchlaufen. Wir sprechen mit ihr über die Herausforderungen im Studium, moralische Fragen in der Tiermedizin, und über verschiedene erste Male, die sie in den vergangenen Jahren meistern musste.

Neben dem Studium bist du Bloggerin & Podcast- Host - klingt nach ziemlich viel Arbeit. Wie kamst Du auf die Idee mit dem Blog?

Daniela: Als ich vor vier Jahren mit der Uni angefangen habe, schaute ich mich online nach Informationen über das Studium und die Tiermedizin um. Gefunden habe ich eigentlich nur Negatives- wie schlimm das Studium sei, wie schlecht der Verdienst als Tierärztin letzendlich wäre. Ich dachte mir, dass ein Beruf ja nie nur schlechte Seite haben kann und entschied mich dazu, meine Eindrücke im Blog zu beschreiben. Angefangen habe ich mit Infos zum Tiermedizin- Aufnahmetest, der vor dem Studium absolviert werden muss und mit Beiträgen über Anatomie und Physiologie. Dann kamen Interviews und Gastbeiträge von anderen Studis dazu, und so entwickelte sich das Ganze nach und nach. Nachdem Podcasts dann immer beliebter wurden und ich auch gerne selbst welche höre, kam das dann 2020 dazu.

Welche Tiere möchtest Du in Zukunft behandeln?

Daniela Am meisten interessieren mich Großtiere- Alles unter 10 Kilo ist mir zu klein. (lacht) Meine zukünftigen Patienten sind also Pferde, Kühe, Schafe und Neuweltkameliden. Weil ich vom Land komme habe ich wohl einen besonderen Bezug zu diesen Tieren. Auch Lamas und Alpakas finde ich super spannend. Immer häufiger haben Bauern auf den Wiesen, auf denen früher Schafe grasten, nun Alpakas. Und deren Physiologie ist nochmal anders als die der europäischen Nutztiere. Mein Fokus ist auf jeden Fall bei Pferden und Rindern, und bei meiner Tätigkeit als Tierärztin möchte ich gerne auf Achse sein und die Höfe abklappern.

Wie läuft der Übergang vom theoretischen Wissensaufbau zur praktischen Tätigkeit bei Euch ab?

Daniela: Die Frage, ob im Studium bereits genügend Praxis vorhanden ist, wird intern immer wieder diskutiert. Die wirkliche Praxis fängt eigentlich an, wenn du in der klinischen Rotation bist, also ab dem 9. Semester. Außerdem haben wir im Studium Simulatoren, an denen wir bestimmte Eingriffe üben können, bevor man uns an die echten Tiere lässt. Hier in Wien haben wir generell mehr Praktika im Studium, als das in Deutschland der Fall ist. Dazu kommen ca. 26 Wochen Pflichtpraktika. Das ist super, da die Uni alleine einfach nicht reicht, um Sicherheit in der praktischen Behandlung der Tiere zu erlangen. Das alles führt hoffentlich dazu, dass wir die sogenannten First-Day-Skills erlangen, also die praktischen Fähigkeiten, die man am ersten Tag als Tierärztin mitbringen sollte.

Was kostete dich im Studium Überwindung?

Daniela: Eine der ersten Tätigkeiten, die ich selbst ausgeführt habe, war das Legen eines Katheters. Am lebenden Tier habe ich das zum ersten Mal im Praktikum gemacht, das war am Rind. Genau für solche Erfahrungen sind die Praktika eben sehr wertvoll, denn da ist eine Tierärztin dabei gewesen, die mich angewiesen hat. Die Haut von Rindern ist sehr dick, so dass man richtig Kraft braucht, um den Katheter zu setzen, das erfordert anfangs schon Überwindung. Gleichzeitig haben die aber auch so große Venen, dass man sie gut treffen kann, wenn man sie vorher staut. Klar ist man da aufgeregt, aber wenn es dann klappt, möchte man es direkt noch einmal machen und weiter üben. Und so geht das schnell, dass man reinkommt – im wahrsten Sinne des Wortes sozusagen. Und genau diese neuen Herausforderungen und kleinen Erfolgserlebnisse finde ich super spannend an der Tiermedizin!

Wie fühlt es sich denn für dich an, so etwas zum ersten Mal zu machen?

Daniela: Das erste Mal ist immer herausfordernd, aber sobald es einmal geschafft ist, ist es mit der Anspannung direkt viel besser und man wird direkt sicherer. Ein Beispiel ist auch das Blutabnehmen beim Huhn, das wir bei der Nutztierrotation zum ersten Mal gemacht haben. Da denkt man erst mal: „Oh Gott, wie mache ich das jetzt?“, und sobald man es zwei- dreimal gemacht hat, klappt es schon total gut. Da besteht eben immer erst mal eine Hemmung, aber wir sind ja dabei nicht allein. Oft sind es bestimmte Abfolgen, die man dann Step-By-Step durchgeht, wie ein Kuchenrezept.

Und wenn tote Tiere seziert werden mussten?

Daniela: Da ich vom Land komme, war ich schon sehr früh auch mit Tieren konfrontiert, die verstorben sind. Ich denke, es macht einen großen Unterschied, je nach dem welche Bindung man zu einem Tier hatte. Als wir im Studium zum ersten Mal topographische Anatomie hatten, wurden uns pro Tisch tote Katzen, Hunde oder Köpfe von Pferden vorgesetzt. Da war natürlich für uns Alle erst mal krass, vor allem der Geruch. Man denkt auch daran, dass das wohl mal das Familientier von irgend jemandem gewesen ist. Aber sobald dann beim Sezieren der erste Schnitt gemacht wurde, war meine Faszination geweckt und ich war total damit beschäftigt, die einzelnen Organe freizulegen. Aber ein bisschen komisch bleibt die Situation natürlich trotzdem. Ich denke,dass neben der geforderten Empathie auch wichtig für den Job ist, eine gesunde Distanz aufzubauen.

Wie stehst Du zum Thema Euthanasie – also dem Einschläfern von Tieren?

Daniela: Als ich im Praktikum zum ersten Mal ein Tier einschläfern sollte, wollte ich das erst Mal gar nicht machen. Aber es gehört eben zur Tätigkeit als Tierärztin und man muss auch das lernen, irgendwann muss man das tun. Auch hier kommt es stark auf die Gegebenheiten an, wie es sich dann konkret anfühlt. Das erste Mal, dass ich das gemacht habe, war bei einer Kuh, die sich unter Anbindehaltung halb stranguliert hatte und sich davon nicht mehr erholen konnte. Das war auf jeden Fall traurig, aber dennoch kein Vergleich zum Einschläfern eines jungen Kalbs mit offenem Karpalgelenk. Das ist schon ein sehr mächtiges Mittel von Tiermedizinern und mit einigen ethischen und moralischen Fragen verbunden. Generell denke ich, dass es wertvoll ist, die Möglichkeit dieses letzten Mittels zur Verfügung zu haben. Wenn Tiere leiden und keine Besserung in Sicht ist, dann bedeutet die Euthanasie, dem Tier Erlösung zu schenken. Ein Hund, der Schmerzen hat, kann nicht fragen, wieso das so ist, oder wie lange das noch weiter geht. Und wenn es keine andere Möglichkeit gibt, und man es immer mit dem nötigen Respekt vor dem Leben angeht, ist es meiner Meinung nach vertretbar. Als Tiermedizinerin sind diese Entscheidungen natürlich schwer und auf Dauer sicher auch psychisch belastend, aber leichtfertig würde ich damit sowieso nicht umgehen.