Wie Solubilisierung die Bioverfügbarkeit beeinflusst

17. Oktober 2022 — von F.D.

Wie gut ein Wirkstoff in einem Medikament vom Körper aufgenommen wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einen großen Einfluss darauf hat die Darreichungsform – so ist die Aufnahme bei oraler Gabe deutlich schlechter als bei intravenöser. Aber auch die Art und Weise, in der der Wirkstoff im Präparat enthalten ist, spielt eine große Rolle. So kann die Wirksstoffaufnahme durch das Verfahren der Solubilisierung deutlich verbessert werden.

Die Bioverfügbarkeit

Wird ein Arzneimittel eingesetzt, dann soll der enthaltene Wirkstoff an den vorgesehenen Wirkort im Körper des Patienten gelangen, um dort seine Wirkung zu entfalten. Aber das ist nicht immer einfach – je nach Darreichungsform geht einiges unterwegs verloren, sei es durch Verstoffwechselung, Ausscheidung, fehlende Aufnahme oder den “First-Pass-Effekt”. Die Bioverfügbarkeit ist ein Begriff aus der Pharmakologie und ein Maß dafür, wie viel Wirkstoff auch wirklich im Patienten ankommt und beschreibt, wie schnell und in welchem Umfang ein Wirkstoff resorbiert wird und am Wirkort zur Verfügung steht. Je mehr Wirkstoff unverändert resorbiert wird und im systemischen Kreislauf ankommt, desto höher ist die Bioverfügbarkeit des verabreichten Arzneimittels. Die Bioverfügbarkeit von Arzneimitteln ist ein wichtiges Maß, um korrekt dosieren zu können. Wenn nur 50 % des Wirkstoffes aufgenommen werden können, muss dementsprechend doppelt so hoch dosiert werden.

Wie die Darreichungsform die Bioverfügbarkeit beeinflusst

Auf welchem Weg ein Arzneimittel in den Körper gelangt, hat großen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit. Definitionsgemäß haben intravenös verabreichte Medikamente eine Bioverfügbarkeit von 100 %. Das liegt daran, dass die Bioverfügbarkeit gemessen wird, indem die Konzentration des Wirkstoffs im Blutplasma zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Einnahme bestimmt wird – bei intravenöser Gabe befinden sich direkt nach der Applikation 100 % des Wirkstoffes im systemischen Kreislauf und stehen somit dem Organismus zur Verfügung. Bei einer intravenösen Gabe kommt es aber auch zu einem raschen Wirkstoffabbau. Bei intramuskulärer Verabreichung ist die Bioverfügbarkeit insgesamt niedriger und es dauert länger, bis der Wirkstoff im Blutplasma anflutet. Dabei steigt die Plasmakonzentration langsam anund der Wirkstoff steht dem Organismus länger zur Verfügung. Bei oraler Applikation eines Medikaments ist die Bioverfügbarkeit in der Regel am niedrigsten. Dafür flutet der Wirkstoff langsam an und die Konzentration bleibt über längere Zeit hoch.

Die Schwierigkeit der oralen Applikation

Bei der oralen Verabreichung wird ein Medikament über den Verdauungstrakt aufgenommen. Die Bioverfügbarkeit ist hierbei in der Regel eher niedrig, denn der Wirkstoff hat einige Hürden zu nehmen, bevor er ins Blutplasma an seinen Wirkort gelangen kann.

  • Magensäure: Bereitszu Beginn setzt sie dem Wirkstoff ordentlich zu. Im Magen herrscht ein sehr saures Milieu (pH-Wert: 1-2), welches Arzneimittel in ihre Bestandteile auflösen und molekulare Strukturen zerstören kann. Ist der Wirkstoff nicht geschützt, geht hier schon viel verloren.
  • Verdauungsenzyme: Jede Menge Enzyme im Gastrointestinaltrakt warten nur darauf, das zu tun, was sie am besten können: Moleküle in ihre Einzelteile spalten. Denkbar ungünstig für einen Wirkstoff, der möglichst vollständig in den Blutkreislauf gelangen soll.
  • Ausscheidung: Vieles, das oral aufgenommen wird, wird einfach direkt wieder ausgeschieden – sei es über die Nieren oder direkt über den Darm. Häufig wird der Wirkstoff vor der Ausscheidung umgebaut.
  • First-Pass-Effekt: Hat ein Wirkstoff es tatsächlich geschafft, von den Enterozyten aufgenommen zu werden und in den Blutstrom zu gelangen, wird er über die Pfortader zur Leber transportiert. Und hier wird erneut ordentlich ausgesiebt: Durch die Verstoffwechselung in den Leberzellen gelangt nur ein geringer Anteil des angekommenen Wirkstoffes in die untere Hohlvene und steht letztendlich auch wirklich zur Verfügung.

Um die Bioverfügbarkeit oraler Medikamente zu erhöhen, werden verschiedene Tricks eingesetzt. Hartkapseln werden gerne eingesetzt, um Wirkstoffe vor Magensäure und ersten Verdauungsenzymen zu schützen. Bei einigen Wirkstoffen kann es zudem hilfreich sein, wenn sie anteilig über die Mundschleimhaut aufgenommen werden und so direkt in den Kreislauf gelangen. Das Verfahren der Solubilisierung vereinfacht diese Aufnahme, schützt zudem während der Magenpassage und erleichtert die Aufnahme in die Enterozyten.

Was ist "Solubilisierung"?

Ein sperriges Wort, hinter dem sich ein Verfahren zur deutlichen Erhöhung der Bioverfügbarkeit versteckt. Dabei werden die Wirkstoffe in einem Präparat fein verteilt und mittels eines Emulgators vollständig in einem Trägeröl gelöst. Man kann es so vorstellen, dass nicht der ganze Wirkstoff auf einem Haufen liegt, sondern viele einzelne Wirkstoffpartikel im Trägeröl verteilt sind. Der Emulgator sorgt dafür, dass das auch so bleibt: Er platziert sich so zwischen den Wirkstoffpartikeln, dass sie nicht wieder aneinander kleben können. Eine vollständige Lösung entsteht.

Beeinflussung der Bioverfügbarkeit

Eine Lösung mit solubierten Inhaltsstoffen nennt man Solubilisat. Und das hat Vorteile für die Wirkstoffaufnahme:

Kommt das ölige Präparat in wässriges Milieu, wie zum Beispiel Speichel, werden die Wirkstoffpartikel von Emulgatoren umschlossen und bilden kleinste Vesikel – eine Mikroemulsion entsteht.

Die Vesikel schützen die Wirkstoffe vor Verdauungsenzymen und Magensaft.

Die Aufnahme in Zellen ist deutlich erleichtert, denn die äußere Hülle der Vesikel ähnelt den körpereigenen Biomembranen: Die Vesikel können mit Zellmembranen fusionieren und ihre Fracht somit in das Innere der Zelle bringen.

Die Bioverfügbarkeit kann durch die Solubilisierung stark erhöht werden – vor allem, weil Solubilisate auch über die Mund- bzw. Maulschleimhaut aufgenommen werden können. Kommt das Präparat in Kontakt mit den feuchten Schleimhäuten, bilden sich sofort die genannten Vesikel, die nicht erst den Verdauungstrakt passieren müssen – durch ihre Ähnlichkeit zu den körpereigenen Biomembranen können sie an Ort und Stelle aufgenommen werden und in den Blutkreislauf gelangen. Somit wird der anspruchsvolle Weg durch den Verdauungstrakt gespart und der First-Pass-Effekt der Leber umgangen. Wird ein Solubilisat abgeschluckt, ist die Bioverfügbarkeit ebenfalls erhöht: Die Vesikel schützen vor Verdauungsenzymen und Magensäure und erleichtern die Aufnahme in die Enterozyten und den Körperkreislauf. Was in solubilisierten Präparaten enthalten ist, kommt somit auch wirklich im Körper an.