Dauerstress bei Hunden und Katzen – erkennen und behandeln

21. Oktober 2022 — von F.D.  

Einen stressigen Tag haben – das kennen nicht nur wir Menschen. Auch für unsere Hunde und Katzen kann es schnell belastend werden, vor allem bei Abweichungen vom gewohnten Tagesablauf, in unbekannten Situationen oder beim Alleinbleiben. Wenn Stress die Oberhand gewinnt, kann er sogar Krankheiten begünstigen und sich in Verhaltensänderungen bemerkbar machen.

Stressfaktoren für Vierbeiner

Stress bei Hunden und Katzen .. wer kennt das besser als ihr in der Praxis? Für euch haben wir die größten Stressfaktoren und was ihr dagegen tun könnt einmal zusammengefasst.

Kurzer, nicht lange anhaltender Stress kann bei Hund und Katze vor allem durch unbekannte oder auch bekannte, aber negativ behaftete Situationen entstehen. Reisen, Geburtstagsfeiern, Tierarztbesuche oder auch Silvesterknaller können Haustieren Angst einjagen, sie verunsichern und daher zu kurzzeitigem Stress führen. Dauerstress dagegen entsteht durch immer wieder auftretende, für das Tier nicht beherrschbare oder einzuordnende Situationen. Dazu zählen häufiges und langes Alleinbleiben oder auch ein dominantes Partnertier, das Futter und Revier verteidigt. Zum Problem werden kann auch ein langer Urlaub der Besitzer, bei dem das Tier seine gewohnte Umgebung aufgeben muss. Ein Tier mit sensiblen Wesen ist schneller gestresst: Für einen ohnehin verunsicherten und ängstlichen Hund, der in der Innenstadt lebt, kann schon die tägliche Gassirunde eine Herausforderung darstellen. Aber nicht nur das – Hunde und Katzen haben ein feines Gespür für menschliche Stimmungen. Der Stress der Besitzer kann sich unter Umständen auch auf die Haustiere übertragen.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Psychischer Stress kann durch Immunsuppression tatsächlich zu einer erhöhten somatischen Krankheitsanfälligkeit führen. In der Humanmedizin hat sich aus diesem Zusammenhang sogar ein relativ neues, interdisziplinäres Forschungsgebiet gebildet: Die Psychoneuroimmunologie. Psychische Belastungen erhöhen die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter und Hormone im Körper. So wird bei Stress vermehrt das Glukokortikoid Cortisol gebildet, das immunsupprimierende Eigenschaften besitzt. Glukokortikoide werden aufgrund ihrer Wirkmechanismen pharmakologisch sogar zur Unterdrückung von Immunreaktionen eingesetzt. Lang anhaltender Stress kann die Abwehrfunktion daher dauerhaft einschränken und somit die Infektanfälligkeit erhöhen. Neben Cortisol gibt es noch eine breite Palette anderer, bei Stress ausgeschütteter Stoffe mit gesundheitsrelevanten Effekten. So können Neuropeptide wie die Substanz P bestehende Entzündungsreaktionen hinauszögern oder sogar verschlechtern.

Dauerhafter Stress kann auch negative Auswirkungen auf das Verdauungssystem haben. Die allgemein gesteigerte Anfälligkeit kann Infektionen den Weg ebnen, hinzu kommt eine verringerte Durchblutung von Magen und Darm, da der Körper in ständiger Flucht- oder Kampfbereitschaft ist und das Blut eher der Muskulatur zur Verfügung stellt. Das bei Stress ausgeschüttete Cortisol regt zudem die Säureproduktion des Magens an, wodurch eine Magenübersäuerung und nachfolgend sogar Magengeschwüre entstehen können. Bei Stress neigen Hunde und auch Katzen zudem dazu, weniger zu fressen, was eine mögliche Übersäuerung zusätzlich begünstigen kann. Dauerhafter Stress beeinträchtigt zudem die Darmflora und Darmmotilität. Die Folge sind Blähungen, Durchfälle und Bauchschmerzen.

Viele Tiere reagieren auf Stress mit verstärktem Putzen und Belecken ihres Fells. Häufig sind einzelne Stellen betroffen, an denen das Fell durch das ständige Lecken immer dünner wird und sogar ganz ausfallen kann. Die Haut wird durch die mechanische Reizung wund und rissig, was wiederum zu vermehrten Belecken führt. Das ständig feuchte Milieu bietet ideale Bedingungen für die Vermehrung von Bakterien, welche sich leicht an solchen Stellen ansiedeln können. Hautinfektionen sind die Folge. Vor allem Hunde beknabbern sich häufig stressbedingt die Pfoten und Ballen, was auch ohne Infektion zu Schmerzen bei Belastung führen kann.

Insgesamt betrachtet sind Tiere unter dauerhaftem Stress anfälliger für Infektionen als ausgeglichene und zufriedene Vierbeiner. Auch kommensale Mikroorganismen, die sich zum Beispiel auch im gesunden Tier in geringer Zahl im Respirationstrakt finden, können sich übermäßig vermehren und plötzlich zum Problem werden.

Auswirkungen auf das Verhalten

Dauerhafter Stress kann große Auswirkungen auf das Verhalten von Tieren haben. Im Stresszustand ist der Körper für Flucht oder Kampf bereit – Zeit für langes Überlegen bleibt da nicht. Entscheidungen werden daher schnell und impulsiv getroffen. So kann es zum Beispiel auch bei ausgeglichenen Hunden in kritischen Situation zu plötzlicher Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität kommen. Sind Hunde und Katzen immer wieder Stress ausgesetzt, ist ihr Körper dauerhaft auf Flucht oder Kampf eingestellt. Im Gehirn überwiegt das Aktivitätshormon Noradrenalin, während das Planungshormon Serotonin verdrängt wird. Dies schränkt die Kommunikationsfähigkeit, auch gegenüber dem Besitzer, ein. Verschiedene Tiere reagieren ganz unterschiedlich auf verschiedenste Situationen. Neben Aggressionen sind auch häufig Verhaltensauffälligkeiten wie Zurückziehen und verstecken zu sehen. Eine häufige Verhaltensauffälligkeit bei dauerhaftem Stress ist das intensive Putzverhalten. Katzen fangen häufig an, eine Stelle immer und immer wieder zu putzen, Hunde beknabbern und belecken ihre Pfoten und Ballen. Das übermäßige Putzen und Lecken ist meistens eine Übersprungshandlung – das Tier weiß nicht, wie es mit der Situation umgehen soll und sucht sich daher eine bekannte und ablenkende Tätigkeit. Dieses Verhalten kann zu einer Reihe von Folgen führen: Begonnen bei wundgeleckter, teilweise auch infizierter Haut bis hin zu Verdauungsproblemen durch abgeschluckte Haare oder Harnwegsinfekte durch Lecken im Genitalbereich.

Was tun, wenn das Tier unter Dauerstress steht?

Das Wichtigste ist, die Ursachen zu erkennen, welche dem Stress zugrunde liegen und diese zu beseitigen. Ist es das Partnertier, das Futter und Revier streitig macht? Dann können zum Beispiel mehrere Fütterungsstellen und Liegemöglichkeiten an verschiedenen Stellen geschaffen werden. Wenn das Tier gestresst ist, weil es zu oft alleine ist, wird es kniffliger – gibt es die Möglichkeit das Tier, zumindest an einigen Tagen in der Woche, mit zur Arbeit zu nehmen? Kann ein Hundeausführservice oder eine Tagesbetreuung engagiert werden? Bei Katzen hilft ein gut verträgliches Partnertier gegen die Einsamkeit in den vier Wänden. Aber auch ein gesicherter Freigang sorgt für Abwechslung.