Kommunikation in der Tierarztpraxis

13. Juni 2022 — von VetLounge

Was macht eine gelungene Kommunikation aus – und wieso hat sie in der Tiermedizin besondere Aufmerksamkeit verdient? Dieser Frage stellt sich Ellen Preußing in der VetLounge – dem Podcast für die Tierarztpraxis von Inuvet. (Aus dem Podcast »VetLounge 1« mit Ellen Preußing zu Gast)

Ellen Preußing ist Kommunikationscoach und auf die Kommunikation in der Tierarztpraxis spezialisiert. Die praktischen Erfahrungen als Tierärztin helfen ihr dabei, die spezifischen Herausforderungen in diesem Arbeitsumfeld verstehen und bewältigen zu können.

Frage: Was macht für dich die Kommunikation in der Tierarztpraxis konkret aus?

Kommunikation an sich ist relativ universell, unterschiedlich sind jedoch die Situationen in denen Kommunikation stattfindet. So gibt es typische Persönlichkeiten, die in einem jeweiligen beruflichen Kontext gehäuft auftreten. Typische Situationen wiederholen sich immer wieder. Auch wenn wir einen Alltag haben, der davon geprägt ist, dass wir mit Großtieren, Kleintieren, oder vielleicht auch mit Exoten arbeiten, und das an spezifischen und unterschiedlichen Orten. All diese Situationen haben dennoch gemein, dass sie ganz stark emotional gefüllt sind.
Einerseits spielen im landwirtschaftlichen Bereich die finanziellen und wirtschaftlichen Faktoren eine große Rolle, andererseits haben die meisten Landwirte dennoch ein großes Interesse daran, dass es ihren Tieren gut geht. Wenn man aber im Kleintierbereich oder mit Pferden arbeitet, gibt es dort eine andere emotionale Komponente, fast schon vergleichbar mit einem pädiatrischen Umfeld. Die Kommunikation innerhalb der Veterinärmedizin ist damit eine ganz andere, als in anderen Berufsgruppen, wie Beispielsweise der Bäckereitheke oder beim Autohändler. Diese repetitiven Situationen in der Praxis zeigen meiner Erfahrung nach universelle Muster auf.
Mein Anliegen ist es, die Gestaltung dieser typischen, sich immer wiederholenden Situationen praktisch zu vermitteln und konkrete Ansätze zu liefern.

Frage: Ist Kommunikation denn überhaupt trainierbar?

Mit Kommunikationstalent wird niemand einfach so geboren. Das wird uns nicht einfach in die Wiege gelegt, sondern ist ganz klar eine Fähigkeit, die man sich aneignen kann. Die Art der Kommunikation wird durch eigene Erfahrungen, unser Umfeld und durch unsere Selbstwahrnehmung geformt. Wie die meisten Dinge im Leben, sind Übung und Praxis entscheidend.

Man kann sich einigen Stress ersparen, indem man sicher geht, sich so auszudrücken, dass das Gegenüber versteht, was man mitteilen möchte. Das ist vergleichbar mit der Situation in der Ausbildung, bei der man etwas zum ersten Mal machen muss, wie beispielsweise ein stationäres Tier versorgen. In solchen Momenten ist man einfach nervös oder unsicher. Mit der Zeit, und der daraus wachsenden praktischen Erfahrung, verbessert sich dieses subjektive Gefühl. So verhält es sich auch mit der Kommunikation.
Diese Fähigkeit kann in entspannten Situationen, beim Bäcker oder an der Kasse erprobt, und dann in schwierigeren Situationen sicher eingesetzt werden.

Frage: Und das soll dann verinnerlicht werden und sozusagen zur „unbewusst- bewussten Kommunikation“ werden?

Das Gehirn ist uns dabei behilflich indem es Dinge einprogrammiert und abspeichert, die wir regelmäßig durchführen. Unsere Software erhält dann sozusagen ein Update. Unser Gehirn gewöhnt sich an bestimmte Formulierungen, die man regelmäßig anwendet, sodass sie automatisch in das eigene Programm einfließen. Aber gerade dann, wenn starke Emotionen mit einfließen, verfällt man leicht zurück in alte Gewohnheiten und Glaubenssätze.
Wenn man sich dabei erwischt, dann muss man sich korrigieren und wieder auf Spur bringen. Aber das gehört einfach dazu und ist ganz menschlich.

Frage: Ist die nonverbale Ebene der Kommunikation Ursprung vieler Konflikte in der Tierarztpraxis?

Gerade im tiermedizinischen Alltag stellt die nonverbale Kommunikation durchaus eine mögliche Konfliktquelle dar. In der Praxis zeigt sich die Kommunikation auf unterschiedliche Art und Weise – zum Beispiel zwischen den TFA, mit Vorgesetzten oder den Patientenbesitzer/innen.
In diesen unterschiedlichen Situationen ist es sehr hilfreich, sich bewusst zu machen, was zur Kommunikation gehört. Dabei ist die non- verbale Kommunikation nicht nur auf unsere Mimik beschränkt , sondern ein ganzheitliches Paket, bestehend aus unserer Kleidung, der Körperhaltung et cetera.

Frage: Arbeitest Du als Kommunikationscoach mit Kategorisierungen, um Konflikte in der Tierarztpraxis zusammenzufassen und passende Lösungen bereit zu halten?

Ich halte viel davon, erstmal auf sich selbst zu achten und wahrzunehmen, wenn mich beispielsweise das Äußere einer Person triggert. Diese situativen Aspekte möchte ich bewusst wahrnehmen, sodass ich dann nicht einfach passiv reagiere, sondern bewusst agiere.

Andererseits geht es mir darum, mit der Person, die mir gegenüber steht, zu interagieren und auf sie ein zu gehen. Meine Konversation sollte also darauf eingestellt sein, wer mein Gegenüber ist und wie sich diese Person verhält. Und da können Schematisierungen eingesetzt werden, um Ansatzpunkte für das konkrete, in dieser Situation angepasste Verhalten zu haben.
Hierbei wird ein ganz entscheidender Teil der Kommunikation klar, nämlich achtsam Zuhören zu können. So kann man die Informationen auf den unterschiedlichen Ebenen, wie der emotionalen Ebene herausfiltern. Zu diesem wichtigen Informationsgehalt, muss ich durch aktives Zuhören und Nachfragen zunächst einmal Zugang bekommen.

Frage: Was ist deiner Meinung nach das Ziel erfolgreicher Kommunikation?

Das Ziel ist in meinen Augen, dass die Kommunikatoren ihr Ziel erreichen, und dann wirklich eine Kollaboration und ein Miteinander aufbauen.
Es geht nicht darum, gegeneinander zu kommunizieren, denn das ist nicht produktiv. Verstehen heißt nicht, einverstanden zu sein. Wenn ich mich darauf konzentriere, was der Andere sagen will, ist es mein Ziel, dies zu verstehen.
Das heißt nicht, dass ich dann auch der gleichen Meinung bin. Das zu berücksichtigen ist etwas, das mir dabei hilft, ein Gespräch konstruktiv zu führen.