Das Pferd zuerst und dann der Sport - Interview mit Annica Hansen

01. Juli 2020 — von Christoph Schütz und Philipp Müller

Nachdem sie ihrer Karriere beim deutschen Fernsehen den Rücken gekehrt hat, dreht sich bei Annica Hansen alles um ihre Tiere: die drei Pferde Wölbchen, Cantolino, Cobie und den Mischlingshund Charlie. Auf ihren Social-Media-Kanälen teilt die aktive Reiterin frisch und frei Privat- und Ponyhof-Leben mit ihren Followern, die zu 90% weiblich sind. Ihr Motto, das sie vielen Fans so sympathisch macht: »Das Pferd zuerst und dann der Sport.« Denn ihre Pferde sind ihre besten Freunde. Christoph Schütz und Philipp Müller von Inuvet haben die passionierte Reiterin Annica Hansen dort besucht, wo ein Großteil ihres Lebens stattfindet: im Stall.

Wie würdest du meiner 92-jährigen Oma erklären, was du beruflich so machst?

A.H.: Ich komme ursprünglich aus dem Modelbereich und aus der Moderation. Nach wie vor mache ich Fotos. Die kombiniere ich mit der Moderation und gebe Menschen dadurch einen Einblick in mein Ponyhof-Leben. Auf dem Smartphone gucken sich heute alle ihre Sendungen an. Das Tolle ist, dass man nicht nur drei Sender hat, sondern sich seinen Lieblingssender aussuchen und sich immer (zeitunabhängig) anschauen kann, was man will. Eigentlich ist es das moderne Fernsehen.

Wie kam es denn dazu, dass du in deiner Karriere jetzt an einem Punkt bist, an dem du Menschen einen Einblick in dein Leben gibst? Was ist denn vorher passiert?

A.H.: Es ist eine ganze Menge passiert... Nach dem Abi habe ich eine Mathematikstudium angefangen, weil ich dachte, mit meinen guten Mathe-Noten passt das. Das habe ich dann nach zwei Semestern abgebrochen. Anschließend habe ich einen Modestudiengang begonnen. Da ich sehr früh zu Hause ausgezogen bin und alles alleine finanzieren musste, kam mir dann das Modeln ganz gelegen. Ich habe aber bald festgestellt, dass mir Reden für Geld mehr Spaß macht und bin dann Moderatorin geworden. Einer meiner ersten kleinen Jobs war eine Moderation für ein Einkaufscenter. Bis hin zu Primetime-Shows im Fernsehen später. Ich habe mich daraufhin entschieden, mein eigenes Fernsehen zu machen und habe mit YouTube angefangen. Das ist noch nicht so lange her. Mein erstes Video habe ich vor 6 oder 7 Jahren gedreht. Das, was ich mit YouTube auf der Wiese mit den Pferden gemacht habe, hat mich so glücklich gemacht, dass ich mir gesagt habe: »Egal, das muss laufen«. Und das habe ich auch geschafft.

Ab wann hast du realisiert, dass du schon verdammt viele Follower hast?

A.H.: Ich fühle mich gar nicht so als hätte ich viele Follower. Ich bin da eher so reingestolpert und habe gar nicht das Ziel verfolgt, berühmt zu werden. Ich habe das angefangen, weil es mir damals wahnsinnig Spaß gemacht. Eigentlich habe ich mit YouTube auch angefangen, um mich vom Fernsehen zu distanzieren. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mit den Pferden viel besser läuft und mir umso mehr Spaß macht. Ich achte aber nicht darauf, wie viel Follower ich habe. Die Community ist einfach irre groß geworden. Aber ich fühle mich jetzt nicht anders als vor drei Jahren.

Wie kam denn die Liebe zu Pferden bei dir zustande?

A.H.: Ich mochte Pferde schon immer. Ich kann mich nicht an einen bestimmten Auslöser erinnern. Als kleines Mädchen bin ich mit dem Fahrrad zu den Pferdewiesen in der Nachbarschaft gefahren. Ich wollte immer bei Pferden sein, Kontakt zu den Tieren haben. Mein Opa hat mir Reiterferien ermöglicht, und irgendwann durfte ich im Schulbetrieb reiten.

Wann hast du dein erstes eigenes Pferd bekommen?

A.H.: Tatsächlich erst vor 11 Jahren. Wölbchen kam aus einer Reitbeteiligung. Die Besitzerin wurde schwanger und hat sie mir gegen kleines Geld und einen Schutzvertrag überlassen. Sie hat gesagt: »Ihr gehört zusammen, macht das mal». Wölbchen ist jetzt schon 20 Jahre alt. Sie ist vor einem ¾ Jahr in Rente gegangen. Mit ihr bin ich bis Klasse L Springen und Dressur geritten. Sie hat es jetzt verdient, im Ruhestand zu sein.

Hast du Wettkampf-Ambitionen oder ist es ein reines Hobby?

A.H.: Ich bin sportlich interessiert. Ich reite Turniere, ich möchte auch gut sein. Mit Vielseitigkeit habe ich vor 1,5 Jahren mit meinem Hengst angefangen und jetzt mache ich es auch mit meiner kleinen Stute. Aber ich sehe die Entwicklung, gerade im Amateurbereich, kritisch. Die Pferde werden teilweise sehr instrumentalisiert. Meine Pferde sind meine besten Freunde und es ist für mich das Wichtigste, dass es ihnen gut geht. Erst danach kommt der Sport. Das Pferd zuerst und dann der Sport.

Was waren denn für dich die größten sportlichen Erfolge?

A.H.: Ich durfte auf dem CHIO-Gelände in Aachen schon mal mit Wölbchen und Canto reiten, das war für mich ein tolles Erlebnis. Da, wo sonst die ganz Großen reiten um sich ein bisschen wie Isabell (Werth) und Ingrid (Klimke) zu fühlen. Eigentlich waren alle Turniererfolge, die ich erzielt habe, schöne Momente. Mit Wölbchen war ich viel unbedarfter und unerfahrener. Jetzt im ersten Turnier mit Cobie in der Vielseitigkeit haben wir eine Schleife gewonnen. Mein erster Sieg mit Canto war im Zeitspringen. Wir sind nicht die Schnellsten, daher weiß ich gar nicht, wie wir das geschafft haben. (lacht)

Geht die Tierliebe über die Pferde hinaus? Du hast jetzt einen Hund...

A.H.: Ja, einen eigenen Hund wollte ich schon immer haben. Mein Freund Philipp hat dann Charlie mitgebracht. Charlie ist eine gelungene Mischung aus einem Deutsch Drahthaar und einer Mutter, die ein Labrador-Golden-Retriever-Mix ist. Er ist ein Riesenchaot, aber es ist mega schön, einen Hund zu haben. Am Anfang waren Pferde für ihn Neuland. Jetzt ist es auch cool, dass er immer mit in den Stall kann und sich daran gewöhnt hat. Tatsächlich liebe ich aber alle Tiere. Wenn ich mal einen eigenen Ponyhof habe, wird es auch Mini-Esel geben, Alpakas, Shettys und noch einen zweiten Hund. Ich habe Charlie eine Freundin versprochen ;-)

Der Hof ist ein Traum von dir, den du aktiv angehst?

A.H.: »Ponyhausen«, wie ich immer liebevoll sage. Das ist in dem Moment für mich spannend geworden, als Wölbchen in Rente ging. Auch wenn ich in einem super schönen Stall stehe, wo alles möglich gemacht wird, ist es doch etwas anderes die Pferde direkt am Haus zu haben und alles nach eigenem Gutdünken zu machen. Das wäre schon ein Traum.

Du bist dir sicherlich bewusst, dass dir tausende von Menschen zugucken. Was willst du Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit auf den Weg geben?

A.H.: Das Wichtigste, was ich kommunizieren will, steht auch auf meinem Pulli: Ponyliebe! Auch wenn ich als Kind kein eigenes Pferd hatte, kann ich mich an wahnsinnig schöne Kinder- und Jugendzeiten im Reitstall erinnern. Wo man die Pferde als beste Freunde gesehen hat. Klar, das Reiten hat immer Spaß gemacht, aber es ging eigentlich nur zu 25 % ums Reiten an sich. Es ging in erster Linie ums Pflegen, es ging um die Zeit. Wir waren einfach Mädels im Stall, die Zeit mit den Tieren verbracht haben und eine gute Zeit hatten. Das geht leider immer mehr verloren. Es geht viel um Leistung, um ein gutes Pferd, um den Sport. Da stehen oft Eltern dahinter, die Druck ausüben. Ich möchte den Mädels eigentlich sagen, dass Ponyliebe etwas anderes heißt als eine Turnierschleife am Kopf zu haben. Dass, wenn man sich dem Hobby und diesen Tieren verschrieben hat, es wahnsinnig schön ist, Zeit mit den Vierbeinern zu verbringen. Dass es schön ist, sie an der Seite zu haben. Unabhängig davon, ob man in Turnieren startet. Das kann man machen, aber nie auf Kosten der Tiere. Das ist mir am allerwichtigsten.

Was braucht man denn, um ein guter Reiter zu sein?

A.H.: Um ein guter Reiter zu sein, braucht man ein gutes Körpergefühl. Da arbeite ich täglich dran. Man braucht eine gewisse Empathie und die Bereitschaft sich darauf einzulassen, was man da unter sich hat, und dass man wirklich ein Team sein möchte. Man sollte bedenken, dass das Wesen, das einen trägt auch Gefühle und Empfindungen hat. Einen guten Reiter macht auch aus, dass er darüber nachdenkt, dass ein Pferd nicht morgens aufsteht und denkt: »Boah, die verarsche ich heute mal und benehme mich mal richtig daneben«. Viele Reiter reagieren aber so. Das halte ich für total falsch. Man sollte sich immer die Zeit nehmen, um zu überlegen, warum mein Pferd so reagiert. Warum ist sie gerade störrisch oder zickig? Das hat oftmals einen Grund. Da sollte man sein Ego rauslassen, es hat nämlich meist nichts mit dem Menschen zu tun, sondern eher damit dass ein Pferd z. B. einen Anhänger echt gruselig findet oder vor der Sonneneinstrahlung hinten in der Halle Angst hat. Das macht das Pferd nicht, weil es einen ärgern will. Ich habe mir über das Thema echt viele Gedanken gemacht. Und ich fände es wahnsinnig schön, wenn sich mehr Menschen im richtigen Sinne Gedanken über ihre Tiere machen würden.

Was für eine Rolle spielt der Tierarzt in deinem Leben?

A.H.: Am liebsten wäre mir, wenn der Tierarzt gar keine Rolle in meinem Leben spielen würde (lacht). Das wäre meine Traumvorstellung. Da das aber leider nicht geht, habe ich einen sehr engen Kontakt zu meinen Tierärzten. Ich halte nichts davon nur im Notfall zum Tierarzt zu fahren. Ich mache mit meinen Pferden z. B. prophylaktisch regelmäßige Blutchecks. Und ich fahre, bevor die Saison los geht, zum Vortraben hin. Denn ich möchte wissen, dass alles ok ist, dass ich meine sportlichen Ziele verfolgen kann, ohne dass sie, im wahrsten Sinne des Wortes, auf dem Rücken des Pferdes ausgetragen werden.

Du lässt dich vom Tierarzt mit deinen Pferden sozusagen Vollzeit begleiten?

A.H.: Ja, ich glaube tatsächlich, dass das immer mehr kommt und der richtige Weg ist, den Tierarzt mit ins Management des Pferdes einzubeziehen. Ich denke, dass man viele Sachen behandeln oder managen kann, bevor sie schlimm werden. Wenn man erst hinfährt, wenn »es komplett kaputt ist», hat der Tierarzt wenig Chancen. Der Trend, zumindest im höheren Sport, ist, dass das Pferd als Sportler gesehen wird. Und Sportler, egal ob Fußballer oder andere, sind in Betreuung. Sei es von Ärzten, Physiotherapeuten, Osteopathen etc. Daran orientiere ich mich. Meine Pferde haben öfter eine Physio-Behandlung als ich. Meiner Stute tut es gerade unheimlich gut. Alle 4 Wochen bekommt sie den Rücken massiert und das hilft ihr. Ich stehe daneben und denke: »Oh, mir tut auch alles weh» (lacht). Tatsächlich ist es so, dass ich mich gesundheitlich um meine Pferde besser kümmere als um mich. Die können eben nicht reden, und ich erwarte Leistung von ihnen. Ich möchte, dass sie »für mich funktionieren«. Da bin ich es ihnen schuldig, dass ich dafür sorge, dass sie es auch können und das geht nicht, wenn sie Schmerzen haben.

Das hört sich fast nach Idealzustand an?!**

A.H.: Ja, ich bin ein Tierarztstreber.

Offensichtlich arbeitest du gut und erfolgreich mit den Tierärzten zusammen. Wir bei Inuvet verkaufen nicht ohne Grund unsere Produkte nur an Tierärzte. Wir glauben, dass es bei allen Tieren wichtig ist, dass immer ein Profi mit drauf guckt.

A.H.: Genau. Die Leute haben das studiert. Die können das. Gerade bei Tieren und Tierärzten ist es ein emotionales Thema. Zu jedem Tierarzt, Hufschmied und Pferdeverkäufer gibt es eine gute und eine schlechte Geschichte. Ich glaube, dass man auf sein Bauchgefühl hören muss. Und wenn man jemanden gefunden hat, bei dem man sich gut fühlt, gut informiert und gut beraten wird, dann sollte man dem treu bleiben. Dann ist ein Tierarzt ein ständiger Begleiter und ganz wichtig an der Seite zu haben.

Annica Hansen wurde 1982 in Duisburg geboren.
Sie ist Model, Moderatorin, Youtuberin und Reiterin.