Pferde richtig anweiden - Risiken vermeiden

19. Mai 2022 — von F. D.

Das richtige Anweiden will gelernt sein. Das Pferde nicht ohne eine Gewöhnungsphase direkt auf die Weide gehen sollten, weiß eigentlich jeder Pferdebesitzer. Aber welche Gefahren und Erkrankungen lauern eigentlich im frischen Grün?

Ab auf die Wiese – aber kontrolliert

Im Frühjahr sprießt das Gras wieder aus der Erde und alles wird grün. Das freut vor allem die Pferde – nach einem langen Winter nur mit Heu sind die frischen Wiesen verführerisch lecker. Doch auf der Weide lauern auch Gefahren, welche Risiken für die Gesundheit darstellen. Daher gilt: So gut das junge Gras auch schmeckt, ohne das geeignete Anweiden sollte kein Pferd in die Weidesaison starten.

Beim Anweiden sind vor allem kleine Schritte wichtig. Würden wir die Pferde fragen, ginge es direkt vierundzwanzig Stunden am Tag auf die Wiese. Wer sein Pferd im Frühling gesund in die Weidesaison starten lassen will, muss aber vor allem darauf achten, die Weidezeit von Tag zu Tag vorsichtig zu steigern. So kann sich der Verdauungstrakt an die nach dem Winter ungewohnte frische Nahrung gewöhnen und Erkrankungen können vermieden werden.

Umstellung für Pferdemagen und -darm

Ein Großteil der Pferde frisst im Winter hauptsächlich oder sogar nur trockenes Raufutter in Form von Heu und Stroh, dazu kommen Kraft- und Mineralfutter. Frisches Gras hat im Vergleich zu Heu einen besonders hohen Energie- und Eiweißgehalt, ist aber raufaserarm – das Bedeutet eine große Umstellung für den Verdauungstrakt. Wenn im Frühjahr die Wiesen grün werden hat der Verdauungstrakt daher monatelang kein frisches Grünfutter zu Gesicht bekommen. Das hat direkte Auswirkungen auf das Mikrobiom, das nicht auf Saftfutter eingestellt ist. Mit der sukzessiven Steigerung der Weidezeit kann sich das Mikrobiom jeden Tag mehr an das Frischfutter anpassen und die Verdauungsfähigkeit für Saftfutter wieder herstellen. Richtiges Anweiden im Frühjahr ist daher sehr wichtig.

Krank durch Gras

Das Pferde ohne Anweiden krank werden können, hört man als Pferdebesitzer immer wieder. Aber was genau kann bei zu viel Gras ohne ausreichende Gewöhnung eigentlich passieren?

Durchfall und Kotwasser

Kotwasser, häufig in Verbindung mit einem Blähbauch, kann bei zu viel frischem Gras schnell auftreten. Das saftige Grünfutter enthält deutlich mehr Zuckerverbindungen und Eiweiße als Raufutter, außerdem muss sich das Mikrobiom erst modellieren, um das Gras in seine Bestandteile aufspalten zu können. Die Folge: Einige Bestandteile des Futters können im Darm nur unzureichend aufgenommen werden, durch osmotische Kräfte wird Wasser in den Darm gezogen, das den Kot verdünnt.

Kotwasser kann dennoch auch bei noch so vorsichtigem Anweiden auftreten. Ist das der Fall, sollte das Pferd trotz Weide genügend Raufutter zugefüttert bekommen, Kräuter können unterstützend ergänzt werden.
Natürlich kann Durchfall beim Pferd auch ganz andere Ursachen haben. Wurmbefall, Infektionen, Lebererkrankungen und vieles weitere kann eine Rolle spielen. Daher sollten wiederkehrende Problematiken unbedingt vom Tierarzt abgeklärt werden.

Koliken

Im schlimmsten Fall kann der Pferdedarm so mit dem Grünfutter überfordert sein, dass es sogar zu Koliken kommen kann. Gräser sind blähendes Futter und können zu Aufgasung führen. Ist die Darmpassage zudem verlangsamt, kann das Grünfutter im Darm außerdem gären. Auch das sich verändernde Mikrobiom kann ein Grund für Koliken sein. Gerade beim unvorsichtigen Anweiden können sich einzelne Bakterienspezies übermäßig vermehren und das System aus dem Gleichgewicht bringen. Pferde haben allgemein ein empfindliches Verdauungssystem, das leichter zu Koliken neigt als das anderer Tiere. Daher kann bei empfindlichen Pferden schon eine plötzliche Futterumstellung zu Koliken führen.

Pferde, die zu Koliken neigen, sollten daher besonders vorsichtig und in besonders kleinen Schritten an die Weide gewöhnt werden. Das präventive Verabreichen von den Darm unterstützenden Präparaten kann sinnvoll sein.
Bei den Anzeichen einer Kolik sollte das Pferd sofort von der Weide geholt und tierärztlich betreut werden.

Hufrehe

Bei zu viel Grünfutter nach fehlerhaftem Anweiden kann es zu fütterungsbedingter Hufrehe kommen. Hufrehe ist eine schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut, also der Aufhängung zwischen Hufbein und Huf, die viele verschiedene Ursachen, wie zum Beispiel die im Gärprozess entstehenden Toxine haben kann.

Auslöser bei der weidebedingten Hufrehe sind vor allem Fruktane und andere Mehrfachzucker in Gräsern – diese werden von den Pflanzen als Energiespeicher gebildet. Die Zucker werden im Darm von Bakterien gespalten, wobei Milchsäure entsteht. Diese Milchsäure sorgt dafür, dass andere Bakterien im Darm absterben. Die Zerfallsprodukte dieser Bakterien können als Toxine ins Blut gelangen und die Lamellen am Huf schädigen – eine Hufrehe entsteht. Auch hier sind Pferde vor allem dann gefährdet, wenn der Darmtrakt noch nicht ausreichend an das Gras gewöhnt ist.

Der Fruktangehalt von Gräsern schwankt. Besonders hoch ist er im Frühjahr, wenn die Pflanzen für das Wachstum voller Energie aus der Fotosynthese sind. Nicht nur über die Weidezeit hinweg schwankt der Gehalt an Mehrfachzuckern im Gras, auch über den Tag verteilt ändert er sich. Besonders hoch ist er in den Morgenstunden nach kalten Nächten, wenn die Sonne die Luft erwärmt.

Über Fruktane und andere Zucker in Gräsern, sowie deren Einfluss auf Pferde wird aktuell noch viel geforscht und es sind noch lange nicht alle Zusammenhänge bekannt. Wichtig ist, Pferde mit einem Reheschub sofort von der Weide zu nehmen und einen Tierarzt zu Rate zu ziehen. Rehepferde können überhaupt nur mit großer Vorsicht auf die Weide gelassen werden und müssen in besonders sorgsamen Schritten angeweidet werden.

Tipps für das richtige Anweiden

  • Das Wichtigste: Zeit lassen. Auch wenn es vielleicht zeitraubend ist, jeden Tag mit dem Pferd an der Hand grasen zu gehen, erspart es doch viele gesundheitliche Probleme, wenn der wirkliche Weideauftrieb beginnt.

  • Bei Ponys, dicken Pferden und zu Koliken oder Hufrehe neigenden Tieren besonders vorsichtig sein. Bei Rehepferden ist in vielen Fällen komplett von der Weide abzuraten.

  • Der Gehalt an Fruktanen und anderen Zuckern ist dann besonders hoch, wenn die Sonne die Luft nach kalten Nächten erwärmt. Zur Vormittagszeit an sonnigen Frühjahrstagen sollten empfindliche Pferde daher besser nicht angeweidet werden.

  • Vorsicht mit frischgemähten Wiesen – auch hier ist besonders viel Energie im Gras, da die Pflanzen wieder neu hochwachsen.

  • Vor dem Grasen sollte das Pferd Heu fressen. So ist der Hunger auf das Gras nicht ganz so groß und es ist bereits im Vorhinein für die ausreichende Raufaserzufuhr gesorgt.

  • Für das richtige Angrasen muss es jeden Tag zur Wiese gehen. Konnte das Pferd ein paar Tage nicht auf die Weide, muss wieder von neuem mit dem Anweiden begonnen werden.

Wie weidet man Pferde richtig an?

Das Wichtigste beim Anweiden ist die langsame Steigerung, vor allem zu Beginn der Weidesaison. In der ersten Woche sind ab Tag eins, täglich fünfzehn Minuten ausreichend , damit der Verdauungstrakt sich eingewöhnen kann. Viele Pferdebesitzer lassen Vorsicht walten und steigern den Weidegang lieber in fünf-Minuten-Schritten. Auch hier sollte die Zeit ab 15 Minuten aber erstmal einige Tage nicht verlängert werden.

Besonders aufgepasst werden sollte bei Ponys, dicken Pferden oder solchen, die zu Koliken neigen. Diese sind besonders gefährdet, durch fehlerhaftes Anweiden krank zu werden und sollten zu Beginn nicht zu lange grasen. Nach der ersten Woche kann die Weidezeit gesteigert werden, am besten, indem das Pferd morgens und abends auf die Wiese geht und man den Abstand dazwischen mit der Zeit verringert. Bis Pferde 24 Stunden auf die Weide können, muss mehrere Wochen lang kontinuierlich steigern.

Wann mit dem Anweiden begonnen werden kann, ist vom Wetter abhängig. . Je nachdem wie lange der Winter angedauert hat und wie das Wetter im Frühling ist, kommt das Gras zu unterschiedlichen Zeiten hoch. Meistens kann mit dem Angrasen im April oder Mai begonnen werden. Nichts falsch macht man übrigens mit dem Anweiden bei Regen, da der Gehalt an Fruktanen und anderen Zuckern an Tagen mit wenig Sonne besonders niedrig bleibt.

Zum richtige Anweiden kann ein Plan helfen. Diese kann man online von vielen verschiedenen Websites herunterladen.